Abendessen ohne Sinne: Die Geschichte über einen erblindeten Freund und ein gemeinsames Projekt

Dies ist eine Geschichte von mir, Claude Ciccolella (Inhaber von Buon Gusto C.N.C) und einem guten Freund, den ich dank der sozialen Netzwerke nach langen Jahren wieder gefunden habe. Aus dem Wiedersehen hat sich dann ein Herzensprojekt entwickelt.

„Aus dem Wiedersehen hat sich dann Herzensprojekt entwickelt.“

Aber jetzt einmal von Anfang an. Vor zwei Jahren hatte ich eine Freundschaftsanfrage auf Facebook von einer alten Freundin aus meiner Jugend erhalten, ich erwiderte ihre Anfrage und wir fingen an uns über alte Erinnerungen zu unterhalten. Dabei erkundigte ich mich interessiert nach meinem alten Freund, Emiliano, den ich aus meiner Zeit in Italien kenne.

Sie erzählte mir, dass Emiliano auch Facebook aktiv ist und dass ich ihn kontaktieren könnte. Ich freute mich sehr über diese Nachricht, denn damals als ich ein Junger Mann war (Anfang 20) und in den Luxushotels in Venedig arbeitete, war Emiliano mein bester Freund. Und wie das so ist, als junge Menschen, feierten wir viele Abende und verbrachten eine wunderschöne Zeit gemeinsam mit unseren Freunden.

Bedingt durch unsere Arbeit und durch Dinge, die das Leben so mit sich bringen, verließ ich Italien und kam nach Deutschland zurück und arbeitete als Kellner in Restaurants. Somit ging auch der Kontakt zu Emiliano verloren.

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Claude Ciccolella (Inhaber Buon Gusto C.N.C.) und Emiliano

„Nachdem mein guter Freund Emiliano und ich uns aus den Augen verloren hatten, haben wir uns Jahre später über die sozialen Netzwerke wiedergefunden.“

Nun hatten wir uns nach Jahren wiedergefunden. Auf den Bildern von Emilianos Profil konnte ich erkennen, dass er etwas anders aussah als ich ihn damals kannte. Ich traute mich aber nicht ihn darauf direkt anzusprechen.

Aber ich konnte erfahren, dass ihm etwas passiert ist, er sagte zu mir „Lieber Claude, komme mich in Florenz besuchen, da du dieses Jahr eh nach Italien fährst, dann kommst du mich mit deiner Frau besuchen und ich werde dir alles erzählen.“ Gesagt, getan!

„Emiliano sah auf seinen Profilbildern anders aus, als ich ihn kannte, doch ich traute mich nicht ihn darauf anzusprechen.“

Als wir meine geliebte Frau und ich im Sommer 2018 in Italien waren und nach einer wunderschönen Tour durch die traumhaften Städte und durch malerische Landschaften Italiens gereist sind, kamen wir auf unserer Rückreise in Florenz an. Als wir in Florenz ankamen, unser Apartment bezogen hatten, fuhren wir anschließend zum Abendessen zu Emiliano und seiner reizenden Familie.

Sobald wir dort ankamen, erwartete uns schon Emiliano bei sich am Eingangstor seiner Gartenanlage. Ich stellte fest, dass Emiliano blind ist. Wir begrüßten uns, wir umarmten uns und es war einer der schönsten Momente, wenn man feststellt, dass eine wahre Freundschaft, auch wenn man sich lange nicht gesehen hat, innig und vertraut bleibt.

Wir gingen in seinen schönen Garten, setzten uns auf einem schönen Holztisch und machten eine Flasche Wein auf.

„Im Sommer 2018 sah ich Emmi, wie ich ihn liebevoll nannte, in seiner Heimat Florenz wieder. Ich stellte fest, dass Emmi blind geworden ist.“ 

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Emmi fing an, uns seine Geschichte zu erzählen, wie er eines Tages von heute auf Morgen vollkommen blind auf beiden Augen geworden ist.

Eines gewöhnlichen Morgens saß Emiliano in einem Café und hatte seinen Kaffee zu sich genommen. Danach setzte er sich auf seinen Roller und wollte zu seiner Morgenschicht in das Restaurant fahren, wo er zu diesem Zeitpunkt arbeitete. Das was danach passiert ist, bekam Emiliano nicht mehr mit. Ein anderer junger Mann, auch unterwegs mit seinem Motorrad, nahm Emiliano die Vorfahrt und sie prallten mit einer heftigen Wucht zusammen.

„Der junge Mann starb sofort am Unfallort und Emiliano wurde in die Luft geschleudert und beim Aufprall auf dem Boden zerschmetterte sein Helm auf seinem Gesicht.“

Emiliano wurde ins Krankenhaus gebracht und war mehrere Wochen in Komma. Als er aufwachte waren seine Augen verbunden und es war alles dunkel um ihn herum. Er bemerkte, dass seine Mutter im Zimmer war und er fragte sie was passiert sei.

Sie erzählte ihm die Geschichte vom Unfall und was alles an dem besagten Morgen passiert ist. Emiliano fragte: „Und was ist mit dem Jungen passiert?“. Seine Mutter antwortete: „er ist leider gestorben“. Diese Nachricht stimmte Emiliano sehr traurig, denn Emilliano war immer ein Mensch mit einem großen Herzen. Daraufhin fing seine Mutter an zu weinen. Emiliano fragte: „Warum weinst du? Ich lebe doch und nun werde ich auch wieder gesund.“

Seine Mutter sagte traurig: „Emiliano, du bist blind und du wirst nie wieder sehen können! Emiliano antwortete „Gib mir Geld“ und seine Mutter fragte „Warum?“

Emiliano wiederholte „gib mir Geld“ und seine Mutter „Aber Warum Emiliano?“. Er reagierte jetzt verärgert und sagte „Gib mir verdammt noch mal das Geld“! 
Nachdem Emiliano mir das erzählte, fragte auch ich etwas verdutzt „Warum wolltest du als Erstes Geld von deiner Mutter?“.

Und er antwortete wie folgt: „Als Blinder Geldscheine zu erkennen, ist die absolute Priorität und es war mir verdammt wichtig, wieder selbständig zu werden.“

Diese Einstellung nach so einem Schicksalsschlag verblüffte mich und mir wurde bewusst, dass wir in unserer Gesellschaft oft sehr wehleidig sind, selbst wenn es nur um die kleinen Dinge des Lebens geht.

Nach mehreren Monaten im Krankenhaus und Operationen kam Emiliano endlich wieder nach Hause.

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Emiliano und seine geliebte Frau.

Er lernte, wie man sich als Blinder zurechtfindet und versuchte die ersten Schritte außerhalb seiner vier Wände zu tätigen.

Nach einer Weile, nachdem sich Emiliano wieder in seinem Haus zurechtfand, folgten auch die ersten Schritte außerhalb seiner vier Wände. Emiliano lebet wieder bei seiner Mutter in der Hafenstadt Marghera.

Marghera ist eine Hafenstadt mit 28.000 Einwohnern und befindet sich in der Nähe von Venedig und Mestre. Es sind nicht viele Einwohner und über Ecken und Kanten kennt jeder jeden und Emiliano hatte natürlich eine Menge Freunde in seinem Stadtteil von Marghera, wo er wohnte.

So kam es, dass, wenn Emiliano das Haus verließ, er immer auf Bekannte/Freunde traf, die ihn bis dahin begleiteten, wo er gerade hin wollte.

„Diese Situation gefiel Emiliano gar nicht und er entschloss sich für einen Neuanfang. Da er seine Leidenschaft als Koch nicht mehr weiter ausüben konnte, beschloss er nach Florenz zu gehen, um dort den Beruf  Physiotherapeut zu erlernen.“

So verließ Emiliano im Jahre 2004 Marghera und ging nach Florenz, dort fing er mit seiner Ausbildung an und konnte sich mit der Versicherungsprämie eine kleine Wohnung kaufen. Er lernte neue Menschen kennen und engagierte sich in Betreuungsgruppen für Menschen mit Handicap. In dieser Zeit lernte er auch seine Frau kennen, die bezaubernde Julia.

2007 musste Emiliano erneut einen Rückschlag ertragen, denn er musste (bedingt durch seinen Unfall) seine Sehne am linken Arm operieren lassen, so dass eine Zukunft als Physiotherapeut nicht mehr realisierbar war.

Doch Emiliano ist ein Kämpfertyp, er gibt nicht so einfach auf. Jetzt, wo er lange mit seiner Blindheit lebte, entschloss er kurzer Hand zu seiner Leidenschaft zurück zu kehren. Er fing eine Kooperation mit der Blinden-Vereinigung Italiens an und bringt jetzt blinden Menschen das Kochen bei sowie das Zurechtfinden in einer Küche. Somit startete ein weiteres Kapitel in seinem Leben.

2009 verkaufte Emiliano seine Wohnung und kaufte ein kleines Haus mit etwas Land mit Olivenbäumen in der Nähe von Rigniano sull`Arno (Toskana) und bekam im gleichen Jahr eine wunderschöne Tochter.

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Emiliano zusammen mit seinem Team, die alle an einer Blindheit oder Sehschwäche leiden.      

Im gleichen Jahr startete Emiliano ein weiteres Projekt und dieses heisst „Cena senza Senso“ („Abendessen ohne Sinne“).

Hierbei veranstaltet Emiliano mit seinem kleinen Team Dinner im Dunkeln, mit dem Unterschied, dass auch hier die Köche und Kellner blind sind.

 

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Emiliano bei einem seiner Dinner-Veranstaltungen "Dinner ohne Sinne"

 

Und so saßen wir nun im Garten mit dieser bewegenden Geschichte und ich war von dieser Lebenslust und Freude so beeindruckt, dass er mir den Atem raubte.

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Über das wunderbare Projekt schreibt auch die Zeitung.

 

Das Video zeigt eine Reportage über den Chefkoch Emiliano und seinem Dinner-Projekt "Cena senza senso" ("Abendessen ohne Sinne").

Emiliano veranstaltet regelmäßig Dinnerabende im Dunkeln mit seinem jungen Team an Köchen. Das gesamte Team von Emiliano besteht aus Menschen mit einer Blindheit oder einer Sehschwäche. 

Das Video ist zwar auf italienisch, aber auch ohne die Sprache zu verstehen, bekommt man einen Eindruck davon, was für eine großartige Arbeit Emiliano und sein Team, trozt Blindheit, leisten.

Gemeinsam mit Emiliano haben wir ein neues Projekt auf die Beine gestellt: "Olio Dell`Amicizia", das wunderbare Native Olivenöl Extra.

Von Hand gepflückt sind die wunderbaren Oliven aus Emilianos Olivengarten, die er gemeinsam mit Freunden gepflückt hat. Mit jedem Kauf des Olivenöls unterstützen Sie das Blinden-Projekt "Dinner ohne Sinne".

 

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Emiliano und seine Freunde beim Pflücken der Oliven.

 

Bleiben Sie dran und erfahren Sie in einem weiteren Blogartikel, wie das neue gemeinsame Projekt mit dem wunderbaren Olivenöl entstanden ist.

 

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